Family Affair
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Mein grösstes Werk, das circa tausend analoge Filme umfasst, wird aufgearbeitet und fachgerecht archiviert. Aus diesem Werkzyklus sind bereits mehrere Publikationen entstanden, unter anderem THE GANG 2001 und NICHT ZITTERN 2018, beide Lars Müller Publisher, LIAR LÜGNER 2019, kodoji press. Umgerechnet sind das geschätzte 37'000 Einzelbilder, welche in 40 Jahren entstanden sind.
Bei der Archivdurchsicht wird eine neue Auswahl zusammen gestellt unter dem Titel FAMILY AFFAIRS und auf meiner Website aufgeschaltet. Diese Arbeit ist prozesshaft, sie beginnt mit der Recherche und endet mit einer neuen Werkserie, die sowohl aus dem Archiv stammt wie auch mit neuen Bildern kombiniert wird.
Durch die Recherche verschiedener Quellen in der Kunst und den Medien sowie Besuchen von Orten an denen Kunst gezeigt wird, greife ich das Thema Künstlerin / Mutter / Lebens- und Schicksals- Gemeinschaften auf. Die Publikation BEYOND THE FAMILY von Meike Kröncke im Wilhelm Fink Verlag 2012 ist einer der Ausgangspunkte. Mich interessiert das Narrativ der Wahlfamilie, des Zusammenlebens, die Stellung der Künstlerin, welche zusätzlich in der Rolle als Mutter mit autobiografischem Material arbeitet.
we are family, Exhibition Alte Fabrik Rapperswil, curated by Alexandra Blättler, 2017 Image © Dominik Zietlow
Das Buch BEYOND THE FAMILY untersucht die Inszenierungen von Gemeinschaft in der Zeitgenössischen Fotografie, den Diskurs der Familie und der Wahlfamilie, Identität und Identifikation, die Bedeutung von verwandschaftlichen Verbindungen und Freunden / Bezugspersonen als familiär-vertrauten, sozialkompetenten Gruppen und deren Einfluss auf das entstehende Bild.
Ausgehend von drei Künstlerinnen, Nan Goldin, Elinor Carucci und meiner Arbeit, befasst sich Meike Kröncke mit den Thematiken des Familiensinns und posttraditionellen Lebensformen, der Privatheit und Intimität, dem Körper und der Performanz sowie dem Thema der Selbsterzählungen. Schwerpunkte im Buch sind die Publikationen The Devil's Playground (USA 2003) von Nan Goldin, Closer (Israel / USA 2002) von Elinor Carucci und mein Buch The Gang (Schweiz 2001)
Die gewählte Lebensform der Schicksalsgemeinschaft und der Wahlfamilie, in der ich mich bis heute befinde und die einen massgeblichen Einfluss auf meine Arbeit hat / hatte, wird hinterfragt und im Vergleich zu konventionellen Familien- und anderen Darstellungen untersucht.
Ein zentrales Element ist die Terminologie der Künstlerin, Mutter, Tochter – oder aber Tochter, Mutter Künstlerin. Mitgemeint ist damit die Position der Künstlerin, die Mutter wird, deren Tochter Künstlerin wird und die wiederum eine Tochter bekommt und Mutter wird.
Diesen Generationen-Prozess mit der Kamera zu verfolgen ist ein weiterer Ansatzpunkt der neuen Bildserie in Kombination mit alten Sujets. Es sind Thematiken, die selten in den Kunstkontext gelangen, schnell als Privat angesehen und ohne politischen Faktor gelesen werden. Meine Arbeit kann in diesem Zusammenhang als fotografische Sprache oder Stimme gedeutet werden, die sich seit den 1980er Jahren bewusst mit autobiografischem Material befasst in Bild und Text und die Unterteilung in Leben – Kunst erforscht sowie die Inszenierung und den Begriff der Authentizität des fotografischen Bildes anhand dieses Materials.